Verlagert. Die Kunst in Bewegung – Ein Blick hinter die Kulissen
Am 4. April 2025 startete in der Kunsthalle St. Annen in Lübeck eine Ausstellung, die weit mehr bietet als ein herkömmliches Schaufenster historischer Kunst. Unter dem Titel „Verlagert. Die Kunst in Bewegung“ werden verborgene Schätze aus neun Jahrhunderten präsentiert – Werke, die lange Zeit in den Depots der Lübecker Museen unauffällig ruhen konnten. Die Ausstellung läuft noch bis zum 10. August 2025 und gibt den Besuchern einen seltenen Einblick in den Prozess des Depotumzugs und die tägliche Museumsarbeit. Als Eventfotograf, der die Eröffnungsveranstaltung begleitete, konnte ich nicht nur spannende Motive einfangen, sondern auch den ganz besonderen Moment miterleben, in dem Kunst und Fotografie in einem Dialog verschmelzen.

Ein Konzept, das Geschichten formt
Die Ausstellung entstand aus der Notwendigkeit heraus, zahlreiche Kunstwerke wurden aus Brandschutzgründen in ein Außenlager verlagert. Doch bevor diese Schätze endgültig den vertrauten Raum der Kunsthalle verlassen, präsentiert man sie hier – als Zeugnis einer lebendigen Kulturgeschichte.
Vielfalt der Epochen: Von barocken Silberobjekten, die einst in der St. Annen-Kirche ihren Glanz verbreiteten, über Werke von Käthe Kollwitz bis hin zu zeitgenössischen Stücken wie Andy Warhols „Holstentor“ (1980). Diese Bandbreite spiegelt den facettenreichen Charakter der Lübecker Kunst wider.
Unverhoffte Einsichten: Viele der gezeigten Werke waren bislang ausschließlich in den hinteren Lagerräumen verborgen. Heute wird dieser seltene Zugang zu einer bislang unsichtbaren Museumswelt freigegeben.
Nicht nur die Kunstwerke selbst stehen im Mittelpunkt – die Ausstellung öffnet den Blick hinter die Kulissen. Hier wird gezeigt, wie Kunst gesammelt, gepflegt und – buchstäblich – verlagert wird. Als Fotograf erlebte ich dabei hautnah, wie wichtig es ist, auch den unscheinbaren Alltag eines Museums festzuhalten: die Logistik, das Zusammenspiel von Licht und Schatten in den Lagerhallen und die Momente, in denen historische Objekte in neuem Glanz erscheinen.

Eröffnung und Event-Highlights
In einem herzlichen Empfang begrüßten Dr. Tilmann von Stockhausen, der Leitende Direktor der Lübecker Museen, und Noura Dirani, die Museumsdirektorin, die Gäste. Bis 23 Uhr sorgte ein DJ mit passender Musik für gute Stimmung – im Foyer wurde sogar getanzt. Für das leibliche Wohl standen im benachbarten Kunstcafé erfrischende Angebote bereit.
Depot als Bühne: Kunst im Schaudepot
Ein besonderes Highlight der Ausstellung ist das sogenannte Schaudepot – ein Raum, der normalerweise den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt und nun als inszenierter Schauplatz dient.
Inszenierung des Alltäglichen: Der Lagerraum, in dem Kunstwerke normalerweise systematisch sortiert werden, wird zum Erlebnisort. Besucher können sehen, wie Gemälde und Skulpturen in Regalen angeordnet sind – ein Arrangement, das den Alltag eines Museums auf ungewohnte Weise sichtbar macht.
Spannende Details: Unter den Exponaten finden sich nicht nur klassische Gemälde, sondern auch religiöse Artefakte, Gipsabgüsse antiker Skulpturen und sogar ein signiertes Kissen von Andy Warhol. Solche Objekte regen den Betrachter dazu an, über den gewohnten Rahmen der Ausstellung hinauszuschauen und den Blick auf das Unkonventionelle zu richten.
Die Darstellung des Depots vermittelt ein Gefühl dafür, wie viel Arbeit und Sorgfalt in den Erhalt und die Aufbewahrung von Kulturgütern steckt. Für mich als Fotograf bot dieser Raum zahlreiche Möglichkeiten, die besondere Atmosphäre einzufangen – sei es das Spiel von Licht in den Regalen oder die interessante Anordnung der Objekte, die den Charme des Vergangenen mit moderner Inszenierung verbindet.

Highlights im Rampenlicht: Von Silberpracht bis Warhols Farbfelder
Unter den zahlreichen Exponaten gibt es einige, die besonders ins Auge stechen und den Besucher immer wieder zum Verweilen einladen.
Der Silberschatz der St. Annen-Kirche: Diese sakralen Gegenstände, die ursprünglich für die Klosterkirche gefertigt wurden, ruhten über Jahrhunderte in den Depots. Im Rahmen der Ausstellung wurden sie restauriert und kehren nun an ihren ursprünglichen Ort zurück – ein beeindruckendes Zeugnis vergangener Handwerkskunst und religiöser Symbolik.
Andy Warhols „Holstentor“ (1980): Teil seiner Serie „German Monuments“ zeigt Warhol das berühmte Lübecker Holstentor in leuchtenden Farbvarianten. Die freihändige Interpretation und die kräftigen Farbfelder machen das Werk zu einem wahren Blickfang, der den Dialog zwischen Tradition und moderner Pop-Art symbolisiert.
Werke von Käthe Kollwitz: Ihre intensiven Darstellungen und sozialkritischen Themen geben der Ausstellung eine zusätzliche emotionale Tiefe und erinnern an die bewegte Geschichte der Stadt Lübeck.
Diese Werke stehen exemplarisch für den Spagat zwischen historischer Bedeutung und moderner Ästhetik. Sie regen zum Nachdenken an und eröffnen dem Betrachter die Möglichkeit, in die facettenreiche Welt der Kunst einzutauchen – ohne sich in Wiederholungen zu verlieren.

Blick hinter die Kulissen: Transparenz in der Museumsarbeit
Ein herausragendes Element der Ausstellung ist die Offenheit, mit der das Museum seine internen Abläufe darstellt. Dieser Blick hinter die Kulissen zeigt, wie intensiv und vielschichtig der Erhalt von Kulturgütern ist.
Videoarbeit „Tightrope“: Direkt im Eingangsbereich empfängt die Besucher die Videoarbeit der russischen Künstlers Taus Makhacheva. Ein Seiltänzer, der mit Gemälden an einer Stange über ein gespanntes Seil balanciert, wird hier zum Sinnbild für den Balanceakt in der täglichen Museumsarbeit.
Offene Depoträume: In verschiedenen Ebenen des Museums – im Erdgeschoss und im zweiten Stock – wird der normalerweise verdeckte Lagerraum zugänglich gemacht. Diese Räume bieten faszinierende Einblicke in die Welt hinter den Ausstellungsmauern.
Dokumentation und Inszenierung: Videos, die den Prozess des Auslagerns und Restaurierens dokumentieren, machen deutlich: Museumsarbeit ist ein komplexer Prozess, der weit über das Aufhängen von Kunstwerken hinausgeht.
Die Transparenz schafft ein Bewusstsein dafür, dass jedes Kunstwerk das Ergebnis intensiver Arbeit und Sorgfalt ist. Diese Einblicke finde ich als Fotograf besonders inspirierend, denn sie zeigen, dass die Schönheit der Kunst oft in den unscheinbaren, hinter den Kulissen liegenden Prozessen liegt.

Unsere Schätze, Deine Schätze – Bürgerbeteiligung in Lübeck
Ein innovativer Aspekt der Ausstellung ist die Initiative „Unsere Schätze, Deine Schätze“, die Lübecker Sammler und Kunstliebhaber dazu einlädt, ihre privaten Objekte mit der Öffentlichkeit zu teilen.
Offener Aufruf: Private Kunstwerke und auch Alltagsgegenstände, die persönliche Geschichten oder gesellschaftliche Umbrüche widerspiegeln, werden hier präsentiert.
Persönliche Geschichten: Jeder Beitrag erzählt eine eigene Geschichte und bereichert den öffentlichen Diskurs um eine individuelle Perspektive.
Mitgestaltung der Ausstellung: Die Einsendungen wurden von einem Team, unter anderem aus dem Jugendbeirat „NEXTGEN St. Annen“, ausgewählt. So entstand ein lebendiger Dialog zwischen Museum und Bürgerschaft.
Diese Initiative zeigt, dass Kunst in Lübeck nicht nur von Institutionen, sondern auch von der Gemeinschaft gestaltet wird. Als Fotograf schätze ich diesen partizipativen Ansatz, da er den Menschen Raum gibt, ihre eigene Geschichte mit der Kunst zu verbinden – und mir als Bildgestalter zahlreiche authentische Motive liefert.

Fotografie trifft Kunst: Mein Blick auf die Werke
Als Fotograf bin ich des Öfteren für die Kunsthalle St. Annen bereits tätig gewesen. Doch diese Ausstellung hat mich in besonderem Maße inspiriert und berührt – und das auf mehreren Ebenen:
Die Faszination des Verborgenen: Es ist faszinierend, Kunstwerke zu dokumentieren, die jahrelang im Dunkeln der Depots lagen. Jedes Objekt trägt seine eigene Geschichte in sich – manche wirken geheimnisvoll, andere fast vergessen.
Kreative Perspektiven: Beim Fotografieren der Ausstellung fiel mir sofort auf, wie unterschiedlich Licht und Schatten in den Lagerhallen spielen. Die gereihten Regale, die scheinbar zufällig wirkenden Anordnungen und die ungewöhnlichen Blickwinkel eröffnen zahlreiche Möglichkeiten, Details und Emotionen festzuhalten.
Praktische Tipps für Kunstfotografen: Nutze das vorhandene Licht, um feine Details der Objekte hervorzuheben – auch in spärlich beleuchteten Räumen. Ein Stativ kann hilfreich sein, um in Situationen mit längeren Belichtungszeiten klare Aufnahmen zu erzielen. Experimentiere mit verschiedenen Perspektiven: Ein Blick aus der Höhe, Details aus nächster Nähe oder ungewöhnliche Winkel können einen neuen Zugang zu den Kunstwerken bieten.
Emotionen im Bild: Besonders berührt haben mich die restaurierten Silberobjekte. Ihre patinierte Oberfläche und die feinen Details erzählen von Jahrhunderten Handwerkskunst und Geschichte – eine Geschichte, die ich in meinen Bildern einzufangen versuche.
Die Ausstellung bietet nicht nur einen Mehrwert für Kunstliebhaber, sondern auch für Fotografiebegeisterte. Sie zeigt, wie eng Kunst und Fotografie miteinander verknüpft sind: Beide Bereiche verlangen nach einem Blick für Details, einer Leidenschaft für Licht und Schatten und dem Gespür, den Moment festzuhalten, der mehr als nur ein Bild darstellt.

Begegnungen und Gespräche: Die Menschen hinter der Ausstellung
Ein weiterer Aspekt, der den Besuch so besonders macht, sind die direkten Begegnungen mit den Menschen, die hinter der Ausstellung stehen.
Einblick in die Museumsarbeit: Ein kurzes Gespräch mit Noura Dirani, der Direktorin der Kunsthalle St. Annen, verdeutlichte, dass diese Ausstellung weit mehr ist als eine Präsentation von Kunstwerken. Sie steht für einen Wandel im Museumswesen – für mehr Transparenz, Bürgerbeteiligung und innovative Vermittlungskonzepte.
Humorvolle Anekdoten: Noura Dirani erzählte von unerwarteten Funden im Depot – kleine Objekte, die sich später als Symbole für vergangene Zeiten entpuppten. Diese Geschichten verleihen der Ausstellung eine persönliche Note, die den Besuch lebendig und nahbar macht.
Engagement der Gemeinschaft: Das Konzept „Unsere Schätze, Deine Schätze“ zeigt, wie eng Kunst und Gesellschaft in Lübeck verwoben sind. Die Möglichkeit, private Schätze mit der Öffentlichkeit zu teilen, schafft ein Gefühl der Gemeinschaft und Mitgestaltung, das weit über die reine Museumsarbeit hinausgeht.
Diese persönlichen Begegnungen haben mir gezeigt, dass Museen heute lebendige Orte des Austauschs sind – und dass auch die Fotografie diese menschliche Komponente einfangen und transportieren kann.

Der Dialog zwischen Kunst und Fotografie
„Verlagert. Die Kunst in Bewegung“ schafft es, eine Brücke zwischen verschiedenen Epochen zu schlagen. Dabei verschmilzt der Dialog zwischen Kunst und Fotografie auf beeindruckende Weise.
Historische Tiefen und moderne Farbwelten: Kunstwerke, die über Jahrhunderte entstanden sind, stehen im spannenden Wechselspiel mit moderner Pop-Art. Andy Warhols farbenfrohes Holstentor steht dabei symbolisch für den Bruch mit der Vergangenheit und den kreativen Neuanfang.
Vielfältige Perspektiven: Die Ausstellung zeigt, dass Kunst in vielen Formen existiert – von sakralen Objekten bis hin zu provokanten Pop-Art-Statements. Als Fotograf bietet mir diese Vielfalt die Gelegenheit, unterschiedliche Stilrichtungen und Techniken auszuprobieren.
Ein Ort des Austauschs: Der Blick hinter die Kulissen der Museumsarbeit regt zum Nachdenken an – über den Erhalt von Kultur und die Bedeutung der Fotografie als Medium, das Emotionen und Geschichten transportiert.
Dieser Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen traditioneller Kunst und moderner Bildgestaltung, verleiht der Ausstellung ihren besonderen Mehrwert. Für den Leser, der sich sowohl für Kunst als auch für Fotografie interessiert, entsteht so ein facettenreiches Erlebnis, das inspiriert und informiert.

Fazit: Ein Besuch, der beide Welten vereint
Die Ausstellung „Verlagert. Die Kunst in Bewegung“ ist weit mehr als eine klassische Kunstausstellung. Sie bietet einen tiefen Einblick in die komplexen Abläufe der Museumsarbeit und zeigt, wie Kunst uns auf vielen Ebenen berühren kann.
Informativ und emotional: Besucher erhalten nicht nur Einblicke in selten gezeigte Kunstwerke, sondern auch in die Prozesse, die hinter ihrer Erhaltung stehen. Für Fotografieinteressierte ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte, um die Besonderheiten von Licht, Schatten und Perspektive zu erkunden.
Persönlicher Mehrwert:
Als Fotograf konnte ich nicht nur visuelle Inspiration schöpfen, sondern auch den emotionalen Gehalt der Werke einfangen. Die Ausstellung bietet vielfältige Motive, die den kreativen Prozess dokumentieren und den Blick hinter die Kulissen öffnen.Partizipation als Schlüssel: Mit der Initiative „Unsere Schätze, Deine Schätze“ wird deutlich, dass Kunst ein lebendiger Dialog ist, an dem jeder teilnehmen kann – und dass gerade die Verbindung zwischen Kunst und Fotografie neue, innovative Perspektiven eröffnet.
Für mich als Fotograf und Kunstliebhaber ist diese Ausstellung ein echtes Highlight im kulturellen Kalender Lübecks. Sie beweist, dass hinter den vermeintlich verborgenen Räumen eines Museums eine Welt voller Geschichten, Emotionen und künstlerischer Vielfalt steckt. Wer sich also für Kunst, Geschichte und die Kunst der Fotografie interessiert, sollte diesen besonderen Ort des Austauschs nicht verpassen.
Ich persönlich habe in dieser Ausstellung nicht nur unzählige inspirierende Motive für die Bilder des Museums entdeckt, sondern auch die Leidenschaft und das Engagement gespürt, mit denen die Lübecker Museen ihre Kulturgeschichte bewahren. „Verlagert. Die Kunst in Bewegung“ zeigt, dass Kunst mehr ist als nur ein optischer Genuss – sie ist ein Spiegel der Zeit, ein Ausdruck der Gemeinschaft und eine Quelle unendlicher kreativer Impulse.